Interview mit Prof. Markus Schlegel
Studierende der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim haben den Werkstoff Putz und sein Zukunftspotenzial unter die Lupe genommen: Das Ergebnis der Studie "rendering/CODES Zukunft Putz" wurde auf der FAF 2016 erstmals vorgestellt. Der Projektverantwortliche Prof. Markus Schlegel spricht im Interview über die Forschungsansätze.
"PUTZ SPIELT WICHTIGE ROLLE FÜR UNSEREN KULTURRAUM"
Herr Prof. Schlegel, lange Zeit galt Putz als altmodisch. Warum hat Putz noch immer ein eher schlechtes Image?
Prof. Markus Schlegel: Tatsächlich wird bei innovativen Gebäudeinterpretationen, vor allem im Neubau, vorwiegend mit anderen Werkstoffen geplant und gearbeitet. Beim Bestandsbau sieht das etwas anders aus.
Grund ist: Putzfassaden stehen für etwas Tradiertes und Solides, nicht unbedingt für Zukunftsfähigkeit. Somit lassen sich die Tendenzen in der Architektur, zum Beispiel Perforation, Transparenz, virtuelle oder parametrische Ästhetik, aus Sicht der Planer wohl besser mit anderen Werkstoffen erreichen.
Wir vermuten als Ursache also fehlende technische und gestalterische Innovation, fehlende Materialauthentizität und als Resultat aller genannten Kriterien das Image von Putz als "billiges Gestaltungsmittel".
Nun erlebt Putz vereinzelt eine Renaissance, vor allem im Neubau. Was sind die Gründe dafür?
Schlegel: Der Werkstoff passt in die Zeit. Themen wie Natürlichkeit, Vertrautheit aber auch der Wunsch nach lokalen Werkstoffen und Traditionen, nach subtilen Strukturen statt glatten Screens oder medialen Flächen gewinnen weiter an Bedeutung.
Wie kam es zu der Idee, die Verwendung von Putz zu erforschen?
Schlegel: Das oben genannte Phänomen "eher weg vom Putz" ist uns seit einiger Zeit aufgefallen. Als Institut für Zukunftsforschung in der Gestaltung (Institute international Trendscouting IIT HAWK Hildesheim) haben wir mit der Fachgruppe Putz & Dekor beschlossen, uns dem Thema zu widmen.
Wir haben darüber bisher mit unterschiedlichen Experten und Fachverbänden gesprochen. Unser Ziel ist, das Produkt im interdisziplinären Dialog weiterzuentwickeln und wieder zukunftsfähig zu machen. Schließlich spielt der Werkstoff Putz für unseren Kulturraum eine sehr wichtige Rolle.
"BESTENFALLS NEUE PRODUKTENTWICKLUNGEN ANSTOSSEN"
Was möchten Sie mit dem Forschungsprojekt erreichen?
Schlegel: Wir wollen einen fundierten, interdisziplinären Dialog in Gang setzen. Die Fragen dabei sind:
- Warum hat der für unseren Kulturraum typische Werkstoff Putz als fugenlose Flächengestaltung in den vergangenen 20, 30 Jahren so massiv an Flächenanteil bei Neubauten eingebüßt?
- Was bedeutet das für Stadtbilder und kulturelle Codierungen?
- Wie muss ein Werkstoff der Zukunft aussehen und was muss Putz leisten, damit er für die Interpretation von innovativen Neubauten und die kreative Weiterentwicklung von Bestandsbauten akzeptiert wird?
Antworten auf diese Fragen werden in der Ausstellung "rendering/CODES" auf der FAF gezeigt.
Welche Zielgruppe möchten Sie hiermit ansprechen?
Schlegel: Planer, Gestalter, Architekten und Handwerker ebenso wie Produktmanager und Entwickler in der Rohstoffindustrie und bei Halbfabrikatsherstellern wie Farben- und Dämmstoffindustrie.
Ein Fokus liegt auch auf den Baufakultäten bzw. den Universitäten und Hochschulen der Architektur und deren Studierende und Lehrende. Hier versprechen wir uns intensive Dialoge und Impulse.
Inwieweit werden die Ergebnisse der Studie in die Praxis umgesetzt?
Schlegel: Neben der Veröffentlichung der Studie ab 2016 soll in einem in die Studie integrierten mobilen Labor, dem WorkLab, gearbeitet werden. Im Expertenverbund entstehen so, als Resultat unterschiedlicher Befragungen und Workshops, Zukunftsszenarien zum Thema Putz.
Diese liefern Informationen über eine mögliche "DNA oder Zukunftscodierung - RENDERING/CODES". Wie sieht der Putz der Zukunft aus? Die Ergebnisse werden dann mit Fachleuten aus Industrie und Handwerk weiter verdichtet und bestenfalls neue Produktentwicklungen anstoßen.